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Zahnmedizin
Praxismanagement


Aufklärung bei Lokalanästhesie – professional neglect?

24.11.2017

Zahnärztliche Aufklärung bei der Lokalanästhesie
Zahnärztliche Aufklärung bei der Lokalanästhesie

Die Aufklärung über Risiken der Lokalanästhesie wird vielfach nicht so ernst genommen, da diese Risiken selten auftreten und die Lokalanästhesie eine Routinemaßnahme ist. Solche Verhaltensweise nennt der Soziologe gern „professional neglect“. Das hilft einem im Ernstfall jedoch nicht, wenn es doch einmal zu einem der seltenen Folgeerscheinungen gekommen ist.

Fehlerhafte Aufklärung bei anästhesiebedingter Nervschädigung

Um das zu veranschaulichen seien zwei exemplarische Verfahren genannt:

Eine Patientin machte gegen ihren Zahnarzt Schadensersatzansprüche geltend, wegen einer fehlerhaften zahnärztliche Behandlung bzw. einer nicht durchgeführten Aufklärung über das Risiko einer anästhesiebedingten Nervschädigung infolge einer Leitungsanästhesie. Seit der Maßnahme sei der hintere Zungenteil taub und sie würde unter Artikulationsbeschwerden leiden. Die fehlerhafte Behandlung konnte nicht nachgewiesen werden. Allerdings war eine Aufklärung speziell über dieses Risiko nicht dokumentiert. Auch der Hinweis auf das geringe Verletzungsrisiko half nicht.

Das Gericht stellte fest, dass vor einer Leitungsanästhesie über die Möglichkeit der dauerhaften Nervschädigung aufgeklärt werden muss. Nach der Rechtsprechung muss auch über sehr seltene Risiken aufgeklärt werden, wenn sie bei ihrer Verwirklichung die Lebensführung des Patienten schwer belasten können und dem Eingriff trotz ihrer Seltenheit spezifisch innewohnen. Dies sei hier der Fall (OLG Hamm vom 29.09.2010, Az. 3 U 169/09).

Delegierung der Aufklärung an Hilfsperson

In einem anderen Verfahren wurde die Delegierung der Aufklärung an eine ärztliche Hilfsperson als nicht ausreichend festgestellt. Auch reiche es für eine ordnungsgemäße Patientenaufklärung nicht aus, nur eine Einwilligungserklärung zur Selbstinformation zu überlassen.

Zusätzlich erfolgte der Hinweis, dass das verwendete Formular ohnehin inhaltlich nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung genügt hätte. Denn neben der möglichen Verletzung des N. lingualis müsse auch auf eine etwaige Schädigung des N. buccalis und des N. alveolaris inferior hingewiesen werden. Und schließlich sei nicht auf Alternativen hingewiesen worden, hier die intraligamentäre Anästhesie. Es kam also zur Verurteilung des Zahnarztes zu einer Schadensersatzleistung (LG Dortmund 04.05.2011, Az. 4 O 55/09).

Spezielle Risiken des Eingriffes bei der Aufklärung beachten und dokumentieren

Diese speziellen Risiken sind natürlich vom jeweiligen Eingriffsort abhängig und können daher variieren. Wird das berücksichtig, ist auch die immer wieder geforderte Individualität der Aufklärung gewahrt, also der Bezug auf die genau im vorliegenden Behandlungsfall bestehenden Risiken.

So kann der Text – über den zu reden ist – z. B. lauten: „Der Eingriff wird in der Regel in örtlicher Betäubung durchgeführt. Die grundsätzlich mögliche Alternative in Form einer Vollnarkose (oder anderem) wurde mir erläutert. Risiken der örtlichen Betäubung sind die Unverträglichkeit des Anästhetikums, Blutungen im Injektionsbereich und Nervschädigung, hier insbesondere ….“, wobei für den Patienten wichtig ist in allgemeinverständlicher Form zu erfahren, wie sich genau die Folge für ihn bemerkbar macht.

Abzugrenzen sind Risiken als Operationsfolge z. B. bei Weisheitszahnentfernungen, bei denen ebenfalls z. B. der N. lingualis verletzt werden kann.

Anamnese als wichtiger Bestandteil der zahnärztlichen Aufklärung

Wichtig ist auch der Hinweis auf die Anamnese, um spezielle Risiken bezüglich Medikamentenempfindlichkeiten/-allergien oder Risiken im Zusammenhang mit vom Patienten einzunehmenden Medikamenten oder Erkrankungen erkennen zu können.

Der Text hierzu könnte so lauten: „Für eine genaue Anamnese sind wir auf Ihre Mitwirkung und vollständige Informationen über Erkrankungen sowie von Ihnen einzunehmende Medikamente angewiesen. Deshalb: Sollten Sie noch keine Gelegenheit gehabt haben, Vorerkrankungen mitzuteilen, oder ist dazu noch etwas unklar, so nennen Sie Ihrem Zahnarzt jetzt alle Erkrankungen, die Sie hatten oder haben, und geben Sie auch die Medikamente an, die Sie einnehmen.“

Bei jedem Patienten, insbesondere bei allergischer Disposition ist an anaphylaktische Reaktionen zu denken. Diese sind durch dynamische, teilweise dramatische Verläufe, die zum Tode der Patienten führen können gekennzeichnet. Ein typisches Notfallset für diese Patienten könnte z. B. so aussehen: 1. Antiallergikum H1- Rezeptorblocker zum Trinken, 2. Glucokorticoid zum Trinken, 3. Adrenalin-Autoinjektor (z. B.: FASTJEKT®), Salbutamol-Aerosol bei allergischem Asthma.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass bei größeren Engriffen, bei denen ggf. mehrfach ein Lokalanästhetikum verabreicht wird, es sinnvoll ist die Menge und Dosis in einem OP-Protokoll zu vermerken.

Auch das Verhalten nach einer Behandlung sollte Inhalt der Aufklärung zur Anästhesie sein

Zur Aufklärungspflicht gehört auch der Hinweis auf das Verhalten nach einer Behandlung unter lokaler Anästhesie. Hier steht im Vordergrund der Hinweis auf Risiken beim Führen eines Fahrzeugs oder der selbständigen Teilnahme am Straßenverkehr. Der Hinweis während der postoperativen Dauer keine Nahrung zu sich zu nehmen, um sich nicht selbst zu verletzen sollte nicht vergessen werden.

Kostenaufklärung bei Lokalanästhesie

Eine spezielle Kostenaufklärung erübrigt sich bei der Lokalanästhesie im Allgemeinen, da die Kostenübernahme von Versicherungen in der Regel nicht moniert wird. Probleme können dann auftreten, wenn die Indikation nicht per se erkennbar ist. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn eine Behandlung in der Regel ohne Lokalanästhesie ausgeführt wird, im vorliegenden Fall aber besondere Umstände dies erfordern (z. B. hohe Schmerzempfindlichkeit, spezieller Patientenwunsch). Probleme gab es auch schon, wenn in einer Allgemeinanästhesie zusätzlich lokal anästhesiert wird, um die intraoperative Blutung gering zu halten.

Fazit

Zusammengefasst kann man feststellen, dass es zwar ein gewisser Zusatzaufwand bei der Aufklärung ist, immer auf die Risiken der Lokalanästhesie hinzuweisen, dass dies aber bei entsprechendem Problembewusstsein in der Routine gezielt und schnell zu erledigen ist.


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